9. Sep

China schottet seinen Markt ab

Im Abschwung bevorzugt das Schwellenland seine eigenen Firmen – und hier vor allem ineffiziente Staatsbetriebe

Peking. Die europäische Wirtschaft im in China befürchtet, dass Peking den eigenen Markt in Zeiten des Abschwungs weiter abschottet. „Reformversprechen der Regierung haben vor einiger Zeit die Hoffnung geweckt, dass Marktkräfte künftig eine größere Rolle spielen“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in Peking. „Doch stattdessen sorgen wir uns jetzt beispielsweise im Bereich der Staatsaufträge über Protektionismus.“

 

Nur durch eine Fortsetzung der Öffnungspolitik könne Peking neue Kräfte freisetzen, warnte Wuttke am Dienstag bei der Vorstellung des aktuellen Positionspapiers der Handelskammer. Eine Schließung des Marktes werde die Dynamik dagegen weiter dämpfen. Wenn Peking nicht schnell reagiere, dann drohe eine umso längere und schwierigere Schwächephase.

 

In China gibt es heute weniger zu verteilen als noch vor drei Jahren. Das Wachstum hat sich seit 2007 glatt halbiert. Ein Versuch, die Wirtschaft über den Aktienmarkt zu beleben, ist mit dem Platzen einer Investmentblase vorerst gescheitert. Die Privatwirtschaft ächzt unter einem hohen Schuldenstand von 290 Prozent des Bruttoinlandprodukts – ein Zustand, der zunehmend lähmend wirkt.

 

Aktuelle Konjunkturzahlen zeigen, dass die Sorgen berechtigt sind. Im August ist der Import des Lands um 14 Prozent gefallen. Die Einfuhr sinkt damit bereits seit zehn Monaten, was auf schwache Wirtschaftsaktivität hindeutet. Die Abnahme von Waren aus der EU sank um 22 Prozent. Zugleich hat sich der Abfluss von Kapital beschleunigt. Zahlen der Zentralbank zufolge sind die Währungsreserven des Lands im August um 100 Milliarden Dollar gefallen – Folge einer lockereren Geldpolitik, mit der die Regierung sich gegen den Abschwung stemmen will.

 

Die Probleme haben zwei Ursachen. Langfristig gesehen sind die Erfolgsrezepte des chinesischen Wirtschaftswunders ausgereizt. Hohe Investitionen in neue Fabriken und in Infrastruktur wie Straßen und Flughäfen bringen recht zuverlässig einen Wachstumseffekt. Außerdem waren die Konjunkturprogramme der Jahre 2009-2011 übertrieben üppig angelegt. Sie haben der Wirtschaft die hohen Schulden aufgebürdet.

 

Nun will die Regierung offenbar dafür sorgen, dass das verbliebene Wachstumspotenzial in erster Linie den eigenen Unternehmen nützt – und hier vor allem den Staatsbetrieben, in denen die Genossen von der Kommunistischen Partei sitzen. Es finden Reformen statt, doch diese nützen vor allem einheimischen Firmen, lautet die Einschätzung der Mitglieder der EU-Kammer.

 

Konkrete Marktbarrieren existieren beispielsweise im Geschäft mit Eisenbahnausrüstung. Ausländische Firmen können nur mitbieten, wenn sie ihre Technik abgeben. Baufirmen können bei Ausschreibungen nur Referenzen geltend machen, die innerhalb Chinas erworben sind – und finden damit keinen Einstiegspunkt.

 

Die Kammer vergleicht die Behandlung internationaler Konkurrenz anhand der Finanzbranche. Während die chinesische Großbank ICBC in Europa problemlos zahlreiche Filialen öffnen konnte und eine volle Bandbreite von Diensten anbietet, erhalten westliche Kreditinstitute nur eingeschränkte Lizenzen. Ihr Marktanteil verharrt auf niedrigem Niveau.

 

Den europäischen Unternehmen bereitet auch eine Reihe von neuen Gesetzen erhebliche Sorge. Dazu gehören das Nationale Sicherheitsgesetz, ein Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus und ein Datensicherheitsgesetz. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie unklar formuliert sind und den Behörden enorme Vollmachten geben.

 

Ein europäischem Fleischhersteller könnten die Behörden theoretisch die Übernahme eines Schweinezuchtbetriebs untersagen, wenn dieser auch an die Armee liefert. Außerdem erhält die Polizei umfassende Freiheit, in den Computern von Unternehmen zu schnüffeln.

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