13. Sep

Im Abschwung

Autoverkehr in China: Fahren macht im Stau keine Freude. Foto: fmk

Autoverkehr in China: Fahren macht im Stau keine Freude. Foto: fmk

Chinas Automarkt hat den Boom vorerst hinter sich gelassen – und droht erstmals seit Jahren sogar zu schrumpfen

Peking. Der Autohändler gibt die Zahl in den Taschenrechner ein, um sie nicht laut aussprechen zu müssen. Mehr als 4000 Euro zusätzlichen Rabatt gibt es auf den Peugeot, dazu kommt eine Reihe von Extras, die sonst eine Stange Geld kosten würde. „Es ist dieses Jahr wenig los“, sagt der Verkäufer. Selbst in seiner guten Lage im Süden des Stadtzentrums gehen die französischen Wagen nur noch langsam weg. „Schlechter als im vergangenen Jahr“, beobachtet er.

 

Chinas Automarkt schwächelt. Noch vor wenigen Jahren mussten die Kunden für eine schnelle Lieferung einen Aufpreis bezahlen. In diesem Jahr macht der Boom jedoch definitiv Pause, und die Anbieter reagieren im zunehmenden Konkurrenzkampf mit immer höheren Rabatten. Daimler hat schon im vergangenen Jahr angefangen, den Verkauf durch Preisnachlässe anzukurbeln. Die Hybridversion der S-Klasse beispielsweise gibt es derzeit knapp 20 Prozent billiger.

 

Im August ist der Autoverkauf um drei Prozent zurückgegangen, wie Daten des Autohändlerverbands CAAM zeigen. Die Funktionäre verweisen auf einen Silberstreif am Horizont: Der Rückgang ist langsamer als noch im Juli. Da lag das Minus noch bei stolzen sieben Prozent. „Fürs Gesamtjahr ist die Wahrscheinlichkeit eines negativen Absatzwachstums jedoch weiterhin hoch“, warnt Shi Jianhua, der Vize-Generalsekretär des Verbands. Er fordert von der Regierung Stützmaßnahmen für den Markt – oder zumindest eine autofreundlichere Gesetzgebung.

 

Marktführer VW hat im August mit seiner Tochterfirma FAW-Volkswagen einen Absatzrückgang von 13 Prozent verzeichnet. Da zudem noch unverkaufte Ware vom Vorjahr in Autohäusern auf einen Käufer gewartet hat, ist die Auslastung der Fabriken drastisch gefallen.

 

Der Grund für die Schwankung ist deutliche Unsicherheit bei den Käufern. Das chinesische Wirtschaftswachstum liegt auf dem niedrigsten Wert seit anderthalb Jahrzehnten. Eine Blase am Aktienmarkt hat zudem das verfügbare Kapital aufgesaugt und die Anleger nach ihrem Platzen im Sommer ärmer zurückgelassen. Wichtiger dürfte jedoch die Regulierung des Autoverkehrs sein: Mehr und mehr Städte haben die Zahl von Neuzulassungen beschränkt, um den Verkehrskollaps zu verlangsamen.

 

Autofunktionär Shi verlangt nun die Aufweichung von Abgas-Standards, um vor allem einheimischen Anbieter einen Schub zu geben. Auch im preiswerten Marktsegment unter 12.000 Auto bekämpfen sich die hier überwiegend chinesischen Anbieter inzwischen mit ruinösen Rabatten. „Die Konkurrenz nimmt zu“, beobachtet Lian Hoon Lim von der Unternehmensberatung Alix Partners. „Die Bedingungen werden schwieriger und die Lagerbestände steigen.“ Auch er erwartet für das Gesamtjahr ein Minus.

 

Noch im Jahr 2010 war der Autoabsatz in China um spektakuläre 40 Prozent gestiegen. Heftige Schwankungen des Marktes gehören jedoch gleichwohl in einem Schwellenland dazu. Manager aller Marken haben die Möglichkeit einer Atempause immer in Betracht gezogen, wenn sie auch nicht vorhersagen konnten, wann es so weit sein würde. Inzwischen sind nun auch immer pessimistischere Prognosen für 2016 zu hören. Analysten der Großbank Credit Suisse rechnen allenfalls mit einem Plus von drei Prozent im kommenden Jahr. Schon 2017 könnte der Absatz jedoch wieder anziehen und in den zweistelligen Bereich klettern.

 

Denn die Langfristaussichten sehen insgesamt weiterhin gut aus. Nur einer von zwölf Chinesen besitzt bisher in Auto, während der Wohlstand weiter zunimmt. Analysten halten die aktuelle Atempause für eine gesunde Chance zur Bereinigung des Marktes – und zu einer Anpassung der Erwartungen an die tatsächlichen Möglichkeiten.

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