16. Jul

Wie gehen wir mit diesem China um?

VW-Zentrale in Peking

VW-Zentrale in Peking

Die deutsche Wirtschaft hat ihr Schicksal mit der Wachstumswirtschaft in Fernost verbunden – und muss nun schwierige Zeiten durchstehen

Peking. Es lässt sich nur vermuten, wie viel Geld deutsche Firmen wirklich in China investiert haben – keiner führt darüber Buch. Doch wenn ein Unternehmen wie Volkswagen jedes dritte Auto in dem Schwellenland absetzt und Daimler dort einen Vorstand installiert, dann ist klar, wie wichtig der Markt dort für die deutsche Industrie ist. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel tourt derzeit mit 65 Top-Managern im Gefolge durch das fernöstliche Land.

 

China war nie ein einfacher Partner. Die Industrie musste immer Gängelei hinnehmen, beispielsweise den Zwang zu Gemeinschaftsunternehmen. Belastend wirkte auch das Spannungsfeld zwischen den eigenen politischen Werten und den Geschäftsinteressen. In China regiert eine kommunistische Partei, die unliebsame Anwälte, Schriftsteller oder Priester für Jahre wegsperrt, wenn es ihr passt.

 

Die Hoffnung war dabei stets, dass das alles schon irgendwie besser werden wird. „Wandel durch Annäherung“, „im Dialog bleiben“, „auf jeden Schritt zurück kommen wieder zwei Schritte vorwärts“, so lauteten die Sprüche. Eine Weile lang sah es sogar ganz gut aus. Die Wirtschaft öffnete sich, und auch in Menschenrechtsfragen waren gewisse Besserungen zu spüren.

 

Doch Minister Gabriel besucht derzeit ein Land, in dem Kontrolle wieder eindeutig vor Öffnung kommt. Nur einen Tag vor Ankunft des SPD-Chefs ist die größte Verhaftungswelle seit Jahren durch das Land gerollt – die Menschenrechtslage ist also wieder richtig schlecht. Die Regierung macht auch der Wirtschaft wieder mehr Ärger. Eine Reihe von Gesetzen legalisiert Polizeiwillkür und Ausspähung von Datennetzen.

 

Auch die Konjunktur stottert eher statt zu boomen. Am Donnerstag hat Peking zwar verkündet, dass das Bruttoinlandprodukt im ersten Quartal um sieben Prozent gewachsen ist, doch angesichts zahlreicher negativer Indikatoren regen sich Zweifel an der Echtheit des hohen Wertes. Der Import geht zurück, der Stromverbrauch wächst nur langsam. Für die Industrie besonders schwierig: Die Kosten steigen rapide, während die Konkurrenz immer härter wird.

 

Wie soll ein Wirtschaftsminister, wie soll die deutsche Wirtschaft mit der unerwartet schwierigen Lage umgehen? Zunächst einmal bleibt wenig Wahl, als sich weiter an die Seite Chinas zu stellen. Deutschland hat zu Recht auf das Schwellenland als ökonomisch größte Kraft des 21. Jahrhunderts gesetzt. Die Investitionen sind getätigt, eine Abkehr kommt gar nicht in Frage.

 

Auch geopolitisch kommt an Peking keiner mehr vorbei. Mit einer neuen Infrastrukturbank hat das Land gerade eine Alternative zur Weltbank aus dem Nichts geschaffen – weil die kommunistische Führung unzufrieden war über die Machtverhältnisse in bestehenden Institutionen. Die USA mussten hilflos zusehen, ihr Zorn ging ins Leere. Deutschland war bei dem Alternativprojekt klugerweise von Anfang an dabei. Wer die globale Situation künftig mitgestalten will, kann das nur mit China machen, nicht dagegen.

 

Es ist gut, dass sich Gabriel am Mittwoch in seiner Funktion als SPD-Chef mit Staatspräsident Xi Jinping getroffen hat. Xi ist zwar die treibende Kraft hinter der neuerlichen Konzentration von Macht und Kontrolle in einem kleinen Kreis an der Führungsspitze der KP. Doch gerade deshalb wird er auf absehbare Zeit einer der wichtigsten Ansprechpartner in der internationalen Politik bleiben.

 

Deutschen Politikern ist zugleich im Umgang mit China eine gewisse Resignation anzumerken. In den 90er-Jahren waren die Führungspersonen in Peking noch zugänglicher und deutlich demütiger, sie hörten Vertretern des Investorenlandes Deutschland geduldig zu. Heute ist China zweitgrößte Volkswirtschaft und größter Kreditgeber der Welt, dazu militärische Vormacht in Ostasien. Wenn das aus chinesischer Sicht vielleicht nützliche, aber auch ziemlich kleine Deutschland sich für politische Gefangene einsetzt – und ihre Abgesandten brav zum Dialog über den Rechtsstaat schickt -, wird das China nicht ändern. Das wissen die Beteiligten auch, oder zumindest ahnen sie es.

 

Aber auch wenn die Bedingungen also schwieriger werden, muss Deutschland dranbleiben. Die Wirtschaftsführer sollten allerdings aufhören, öffentlich unangemessene Euphorie über die Marktbedingungen zu verbreiten und sich dann im kleinen Kreis über das schwierige Klima zu beklagen. Die Begeisterung wirkt inzwischen unreflektiert und überdreht.

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