10. Sep
China versucht, die Welt zu beruhigen
Premier Li: Von einer Krise ist unsere Volkswirtschaft weit entfernt
Peking. Chinas Premier Li Keqiang wehrt sich gegen den Eindruck, die Wirtschaft seines Landes befinde sich in einer Krise. „Wir sind auf bestem Weg, unsere Ziele für dieses Jahr zu erreichen“, sagte Li am Donnerstag auf dem „World Economic Forum“ in der Stadt Dalian. „Für die kommenden Jahre legen wir zugleich eine solide Grundlage.“ China trage weiterhin ein knappes Drittel zur Weltkonjunktur bei. „Wir sind definitiv nicht auf dem Weg zu einer harten Landung.“ Seine Regierung werde das Wachstumsmodell geordnet auf mehr Ökologie und eigene Ideen umstellen.
Die Sorge um die Zukunft der chinesischen Wirtschaft wächst, seit der Aktienmarkt des Landes im Sommer eine Bruchlandung hingelegt hat. Li wollte die Börse zu einem modernen Finanzierungskanal für die Wirtschaft ausbauen. Doch die Investoren haben nach einem steilen Anstieg die Gewinne mitgenommen und die Kurse auf die Ausgangsposition zurückgeschickt. Auch das Wachstum ist mit sieben Prozent deutlich niedriger als gewohnt. Der Außenhandel, die Industrieproduktion und andere Indikatoren schwächeln ebenfalls.
Li empfiehlt jedoch, nicht zu sehr auf die genauen Zahlen zu achten. „Was zählt ist, dass der Umbau zu mehr Nachhaltigkeit und Innovation, zu mehr Dienstleistungen und Binnennachfrage vorankommt.“ Hier sieht er die eigene Politik auf einem guten Weg. Der Einzelhandelsumsatz sei binnen Jahresfrist um zehn Prozent gewachsen und damit zu einer wichtigen Stütze für die Konjunktur geworden. Besonders wichtig ist ihm ein gutes Klima für Entrepreneure: Die Zahl der Firmenanmeldungen ist binnen Jahresfrist steil gestiegen.
Ökonomen bestätigen Lis grundsätzlich positive Darstellung der aktuellen Lage, warnen aber vor weiterhin schwierigen Verhältnissen. „Eine hohe Kreditvergabe hat lange Zeit die Strukturprobleme verdeckt“, sagt etwa Richard Duncan, Autor des Buchs „The New Depression“. „Die großen Konjunkturprogramme der vergangenen Jahre haben damals gewirkt, als hätte China einen Eimer Red Bull getrunken.“ Jetzt leide die chinesische Volkswirtschaft unter Überkapazitäten, Ineffizienz und niedrigen Gewinnen. Es stehe eine längere Phase niedrigen Wachstums bevor.
Die Stimmung auf der Veranstaltung in Dalian war in diesem Jahr dementsprechend verhalten. Es handelt sich um einen Ableger des Treffens der Wirtschafts- und Politprominenz im schweizerischen Davos; die Rede des chinesischen Premiers gilt als Höhepunkt der Konferenz. Noch vor vier Jahren herrschte bei „Sommer-Davos“ in China großer Enthusiasmus über das Wachstumspotenzial und die scheinbare Überlegenheit des chinesischen Systems: Die Krisen in USA und EU hatten der dortigen Wirtschaft nichts anhaben können.
Diesmal laufen chinesische Top-Beamte und Ökonomen dagegen durch die Räume und versuchen, die Sorgen der Weltöffentlichkeit zu zerstreuen. Xu Shaoshi, der Chef der obersten Wirtschaftsplanungsbehörde, wiederholte vom ersten Tag an die offiziellen Darstellung: Die eigenen Ziele werden erreicht, die Basis sei solide. Der prominente Ökonom Li Daokui redete sogar den Absturz des Aktienmarktes schön: „Die Korrektur ist übers Ziel hinausgeschossen.“
Doch auch unter unabhängigen Beobachtern herrscht weitgehend Konsens, dass die Wahrnehmung von einer regelrechten Krise in China übertrieben ist. „Die Regierung hat reichlich Möglichkeiten, die Konjunktur zu stützen – eine harte Landung lässt sich auf jeden Fall vermeiden“, meint etwa Ökonom Qu Hongbin von der Großbank HSBC. Premier Li selbst konnte sich unterdessen einen Seitenhieb auf die Lage im Westen nicht verkneifen. Eine Schwemme billigen Geldes – wie sie die Zentralbanken in USA und EU seit Jahren auslösen – führe langfristig nur zu noch größeren Problemen. „Wir konzentrieren uns auf die Realwirtschaft!“, versprach Li.