23. Sep
Der Großmacht fehlt es an Größe
China sieht sich auf Augenhöhe mit den USA. Dem zerstrittenen Europa fühlt sich der Aufsteiger bereits haushoch überlegen. Doch etwas fehlt China noch, um wirklich die begehrte Anerkennung zu erhalten, und es scheint, als sei das der chinesischen Führung gar nicht klar: Es fehlen echte Weltoffenheit und die Bereitschaft zu internationalem Engagement.
Flüchtlinge aus dem Nahen Osten? Ebola, Folter und Bürgerkrieg in Afrika? Das alles sind Probleme anderer Leute, weit weg, und unwichtig, solange nicht plötzlich eigene Wirtschaftsinteressen berührt sind.
Chinesische Beamte verweisen auf die Probleme im eigenen Land, wenn westliche Gesprächspartner sie um mehr Hilfe in der Flüchtlingsfrage bitten. Nach internationalen Standards befinden sich in China noch 200 Millionen Menschen in Armut. Doch wie passt diese Selbsteinschätzung mit den anderen Ambitionen des Landes zusammen, etwa einem bemanntes Mondprogramm oder dem Aufbau der zweitgrößten Flugzeugträgerflotte der Welt?
China protzt nach außen, ist jedoch weiterhin in sich gekehrt. Das zeigt sich vor allem in der Netzwelt, die durch die eine chinesische Internet-Mauer zerschnitten ist. Die angebliche Weltmacht schottet ihr Netz gegenüber der Welt ab. Während Xi Jinping dem Wall Street Journal vor seinem Besuch ein Interview gibt, ist die Webseite des US-Wirtschaftsblatts in China weiterhin gesperrt. Google, Youtube, Twitter oder Facebook funktionieren dort nicht. Die Mediennutzer dort sind abgekapselt.
Es ist gesund und richtig, dass die USA ein Gegengewicht erhalten, und China ist prädestiniert für diese Rolle. Es ist zugleich schade, dass das Gegengewicht keinen besseren Entwurf bietet in Sachen Menschenrechte, Freiheit und eben positivem weltweitem Einfluss.
Die USA machen viele Fehler und haben manchen Konflikt durch ihre Eingriffe erst ausgelöst, worauf China zu Recht hinweist. Doch sie sind voller Idealismus. Sie praktizieren echte Offenheit und übernehmen Verantwortung. Davon ist China noch weit entfernt.