5. Jul

Geburtstag ohne Wiedergeburt


Der Dalai Lama wird 80 – und sichert sein politisches Erbe, indem er aus der Welt verschwinden will

Peking. Die Geburtstagstorte bekommt einen Zuckerguss in den Farben der zeremoniellen Roben des Dalai Lama: Gold und Kastanie. Das Kunstwerk wird stolze zweieinhalb Meter hoch, damit zumindest einige der vielen Tausend Gäste etwas davon abbekommen. Unter der Sonne Südkaliforniens feiert der Dalai Lama ganze drei Tage lang – und hält dabei immer wieder Reden und Predigten über das Thema Mitgefühl.

 

Der Dalai Lama nutzt selbst seinen runden Geburtstag öffentlichkeitswirksam, um auf Tibet aufmerksam zu machen. Seit er 1959 aus seiner Heimat geflohen ist, sieht er sich in einer politischen Mission, die ihn laufend zu Terminen rund um den Planeten führt. Mitte Juli kommt er beispielsweise nach Hessen, vor seiner Geburtstagsfeier in Kalifornien war er in Großbritannien. Der spirituelle Führer der Tibeter wird am Montag 80 Jahre alt.

 

Der Dalai Lama ist als Bauernsohn in einer abgelegenen Region Tibets zur Welt gekommen. Priester haben ihn im Alter von zwei Jahren als Wiedergeburt ihre weltlichen und politischen Oberhauptes identifiziert. Er kam 1940 auf den Thron und ist verkleidet über den Himalaya nach Indien gegangen, als ein Aufstand in Lhasa gegen die chinesischen Besatzer gescheitert ist. Die Tibeter im In- und Ausland bringen ihm höchste Verehrung entgegen, während Peking ihn einen „Wolf in Mönchsrobe“ nennt.

 

Eigentlich wäre der 80. Geburtstag ein Signal, etwas langsamer zu treten, aber der Dalai Lama hat viel zu tun. Um seine Ziele, Religionsfreiheit und echte Selbstverwaltung für Tibet, steht es nicht gut. In einem aktuellen Weißbuch der chinesischen Regierung zu Tibet heißt es ganz klar, dass größere Autonomie „nicht zur Diskussion steht“, stattdessen sei mehr „ideologisches Management“ der Klöster nötig. Der Dalai Lama sollte sich als gefährlicher Separatist für seine Verbrechen entschuldigen.

 

Das Weißbuch kam als riesige Enttäuschung für alle, die auf Gespräche gehofft haben. Der Dalai Lama hatte im vergangenen Jahr Dialogbereitschaft signalisiert: Präsident Xi Jinping sei ein Realist und offenbar jemand, mit dem man reden könne, sagte er in einem TV-Interview. Das Weißbuch kommt da wie eine kalte Dusche. Der harte Ton ist zugleich aber nicht verwunderlich. Denn Xi ist vielleicht Realist, aber auch ein Machtpolitiker, der die Kontrolle der Kommunistischen Partei über sein Land derzeit noch einmal deutlich anzieht

 

Eine Deeskalation des Konflikts zwischen den Tibetern und der chinesischen Regierung wäre jedoch überfällig. Seit 2009 haben sich 109 Tibeter auf öffentlichen Plätzen mit Benzin übergossen und verbrannt. Der Dalai Lama stand dabei in der Kritik, weil der diese Selbstverbrennungen nicht klar abgelehnt hat, sondern darauf bestand, ihnen „neutral“ gegenüberzustehen.

 

Dem Dalai Lama ist es in erster Linie wichtig, dass der Kampf um Tibet nicht erlahmt. Dazu passt auch ein anderer radikaler Schritt: Er hat erklärt, dass er nicht wiedergeboren wird und die Reihe der Dalai Lamas damit vorerst abreißt. Er will damit verhindern, dass Peking den Vorgang an sich reißt und einen eigenen Lama einsetzt. So haben die Kommunisten es vor 20 Jahren gemacht, als die Wiedergeburt eines anderen wichtigen Priesters, des Panchen Lama, anstand.

 

Seitdem ist ein Streit um die buddhistische Reinkarnation entbrannt, in dem sich Politisches mit Religiösem auf bizarre Weise mischt. Denn die Kommunistische Partei maßt sich damit auch die Aufsicht über die Seelenwanderung an. „Der Dalai Lama zieht den tibetischen Buddhismus in den Schmutz“, behauptete im März der KP-treue Gouverneur von Tibet, Padma Choling. Die Entscheidung über die Wiedergeburt der Lamas liege allein bei der Zentralregierung in Peking.

 

In den Ohren der Tibeter klingt das wie Hohn – schließlich ist der Dalai Lama die oberste Autorität in Fragen ihrer Religion ist, während die Kommunisten offiziell alles Übernatürliche leugnen. „Die Kommunisten halten Religion doch für giftig“, sagt Premier Lobsang Sangay. „Das wäre doch, als ob der Fidel Castro einen neuen Papst bestimmt und verlangt, dass alle Katholiken ihm folgen.“

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