5. Jan

Geheimdienst entführt Buchhändler in Hongkong

Der Comic-Strip, mit dem die "Apple Daily" den Fall illustriert.

Der Comic-Strip, mit dem die “Apple Daily” den Fall illustriert.

Verlag hat Buch über Xi Jinping geplant – Peking macht kritische Geister mundtot

Peking. Der Hongkonger Verwaltungschef C.Y. Leung gilt eigentlich als Marionette der chinesischen Machthaber. Während der Studentenproteste vor einem guten Jahr hat er der Kommunistischen Partei eisern die Stange gehalten. Doch im Fall des Buchhändlers Lee Bo gehen ihm die Übergriffe des chinesischen Machtapparats nun wohl doch zu weit: „Die Rechte der Hongkonger Bürger müssen geschützt werden“, sagte er auf einer Pressekonferenz. „Freie Meinungsäußerung ist ein Grundrecht.“ Die Stadtregierung messe den Vorgängen hohe Bedeutung zu.

Der Buchladeninhaber und Verleger Lee Bo ist seit den letzten Tagen des alten Jahrs verschwunden, ebenso wie zuvor bereits eine Reihe von Kollegen. In seinem Laden „Causeway Bay Books“ hat er vor allem regimekritische Werke angeboten. Lees Frau hat am Freitag eine Vermisstenanzeige erstattet, diese am Dienstag jedoch unter ungeklärten Umständen wieder zurückgezogen. Inzwischen ist auch ein handgeschriebenes Fax des 65-Jährigen aufgetaucht, in dem er angibt, er sei in dringenden Geschäften nach China gereist – man solle sich keine Sorgen machen.

 

Die seltsame Nachricht schürt jedoch eher die Sorge um seinen Verbleib, statt seine Freunde und Familie zu beruhigen. Lee hatte den nötigen Ausweis zur Rückkehr nach China, das Home Return Permit, nicht dabei – er liegt nach Aussage seiner Frau zuhause, wie die Zeitung „Apple Daily“ berichtet.

 

Für pro-demokratische Politiker in Hongkong ist klar: Der chinesische Geheimdienst hat Lee entführt, um Förderer der Meinungsfreiheit einzuschüchtern. „Davor hatten wir immer am meisten Angst: dass Agenten vom Festland Hongkonger Bürger über die Grenze bringen“, sagt Menschenrechtsaktivist Lee Cheuk-yan von der Allianz zur Unterstützung von Demokratischen Bewegungen in China, der örtlichen Zeitung „South China Morning Post“. Auch der Parlamentsabgeordnete Albert Ho ist davon überzeugt, dass Lee in die Hände der Staatsgewalt gefallen ist: „Ich bin sicher, dass Lee Bo den Brief unter Druck verfasst hat.“

 

Das chinesische Propagandablatt „Global Times“, das in Peking erscheint, trägt unterdessen die ominöse Information bei, dass der Vermisste freiwillig auf dem Festland bei der Aufklärung seiner eigenen Missetaten kooperiere. In seinem Laden habe Lee „Lügenwerke, die das politische System des Landes verunglimpfen“ angeboten, so die „Global Times“ weiter. Nun zeige er Reue.

 

Ein freiwilliger Aufenthalt gilt indessen als unwahrscheinlich, war Lee doch ursprünglich nach Hongkong gegangen, weil er sich in China verfolgt gefühlt hat. Hongkong liegt zwar im chinesischen Staatsgebiet, doch dort gelten andere Gesetze als im Rest des Landes. Die Stadt war lange Zeit eine britische Kolonie. Bei der Rückgabe an China hat Peking zugesichert, dort nicht nur den Rechtsstaat und die Meinungsfreiheit zu erhalten, sondern auch die Demokratie weiterzuentwickeln. Das Modell läuft unter dem Namen „ein Land – zwei Systeme“. Nun scheint es so zu sein, dass die selbstbewusste Regierung in Peking einen immer stärkeren Zugriff auf das Geschehen in Hongkong anstrebt. Militär und Polizei des Festlands betreiben dort offen Zweigstellen.

 

Die Ausdehnung der kommunistischen Macht bedeutet eine zunehmende Bedrohung auch für zahlreiche andere Persönlichkeiten, die in Peking auf der schwarzen Liste stehen. Zum Teil werden sie im Rest des Landes per Haftbefehl gesucht, können sich in Hongkong aber frei bewegen. Der Gewerkschafter Han Dongfang beispielsweise hat 1989 an den Protesten auf dem Tiananmen-Platz teilgenommen, gilt seitdem als unerwünschte Person und engagiert sich von Hongkong aus weiterhin für Arbeiterrechte.

 

Die örtliche Polizei ermittelt nun in dem Fall des verschwundenen Buchhändlers. Die Sicherheitsbehörde der Stadt teilte mit, dass sie Aufnahmen von Überwachungskameras rund um den letzten bekannten Aufenthaltsort Lees auswerte. Er hatte sich zuletzt in einem Bücherlager im Stadtteil Chai Wan aufgehalten. Hongkong habe eine formelle Anfrage an die Polizei auf dem Festland gestellt, um mehr über seinen Verbleib zu erfahren.

 

Causeway Bay Books ist die Verkaufsstelle des Verlags Mighty Current Publishing, der vor allem kritische Bücher über die kommunistische Führung herausbringt. Für die kommenden Wochen war die Veröffentlichung eines Buches über den chinesischen Präsidenten Xi Jinping geplant, dass unter anderem eine angebliche Affäre des Spitzenpolitikers mit der Tochter eines Offiziers der Volksbefreiungsarmee aufdecken sollte. Zuvor hatte Mighty Current bereits ein Buch über Xi Jinping und den inzwischen gestürzten Polit-Aufsteiger Bo Xilai auf den Markt gebracht.

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