22. Jul
Japans Regierung kämpft gegen Mauschelei der Firmen
Toshiba-Chef tritt nach Buchführungsskandal zurück – strengere Regeln sollen Imageschaden für Nippon abwenden
Peking. Der Chef des japanischen Elektro- und Nuklearkonzerns Toshiba ist zurückgetreten, nachdem jahrelange Bilanzfälschungen bei dem Unternehmen bekannt geworden sind. „Die Verfehlungen haben das Image von Toshiba nachhaltig beschädigt“, gab Hisao Tanaka am Dienstag in Tokio zu. Er entschuldigte sich wortreich und mit Verbeugungen bei den Aktionären und Mitarbeitern für die Verfehlungen. Auch zwei frühere Firmenchefs traten von ihren Vorstands- und Beraterposten zurück.
Toshiba hat seit 2008 geschönte Zahlen vorgelegt, wie eine unabhängige Untersuchungskommission herausgefunden hat. Der Großkonzern hat in diesem Zeitraum eine gute Milliarde Euro mehr Gewinn ausgewiesen, als er tatsächlich erwirtschaftet hat. Die kreative Buchführung sollte ursprünglich nur dazu dienen, ein schwaches Jahr zu verdecken. Als der ausgleichende Erfolg auch im Folgejahr – und danach immer weiter – ausblieb, setzten die Manager unter Tanaka die Praktiken einfach immer weiter fort.
Der Untersuchungsbericht gibt ganz klar der Firmenleitung die Schuld. „Die vorschriftswidrigen Buchhaltungsvorgänge erfolgten als Umsetzung einer vom Management vorgegebenen Firmenpolitik“, stellen die Prüfer fest. Das Unternehmen wird nun bereinigte Bilanzen vorlegen müssen, in denen scheinbare Erfolge zu einer mauen Seitwärtsentwicklung zusammenschrumpfen.
Bei dem einstigen Vorzeigeunternehmen haben offenbar alle Aufsichtsmechanismen versagt, und auch den externen Buchprüfern scheint nicht aufgefallen zu sein. Die Regierung in Tokio macht sich nun sogar Sorgen um den Standort Japan. „Ich bin total enttäuscht“, sagte Finanzminister und Vizepremier Taro Aso. „Die Vorgänge können das Vertrauen von Investoren in den japanischen Markt nachhaltig schädigen.“
Die Affäre Toshiba kommt in einer Zeit, in der die Transparenz Japans gerade etwas zugenommen zu haben schien. Bis Ende der 90er-Jahre war die „Japan AG“ berüchtigt für gegenseitige Verflechtung, Filz und Geheimhaltung. Der Reformpremier Junichiro Koizumi hatte jedoch vor zehn Jahren sie Mammutaufgabe auf sich genommen, die gegenseitigen Beteiligungen und damit die Verflechtung der Aufsichtsräte abzubauen.
Der aktuelle Regierungschef Shinzo Abe hat hier erst vor kurzem angeknüpft und eine Transparenzinitiative ins Leben gerufen. Mehr Verantwortung, bessere Aufsicht und klarere Zahlen sollten den Standort für Aktionäre und Investoren interessanter machen. Erst im Jahr 2011 hätte ein Skandal die japanische Firmenwelt erschüttert: Der Kamerahersteller Olympus hatte seine Gewinne um einen ähnlich hohen Betrag geschönt wie Toshiba. Der neue Fall gilt jedoch als schwerwiegender, weil Toshiba größer ist. Das Unternehmen ist am Markt mehr wert. Zahlreiche Zulieferer sind von seinem Wohlergeben abhängig.
Es mangelt in der japanischen Unternehmenskultur chronisch an Whistleblowern. Mitarbeiter bei traditionellen Firmen wie Toshiba, Hitachi oder Toyota sind langfristig angestellt und in eine strenge Hierarchie eingebunden. Wechsel von einem Großkonzern in den anderen sind selten – wer einmal auf alle die Seltsamkeiten seiner Firma getrimmt ist, passt woanders nicht mehr hinein.
Die Verantwortung gilt dem Chef – nicht der Öffentlichkeit oder gar den Aktionären. „Es gab für die Buchhaltung in der Toshiba-Unternehmenskultur keine Möglichkeit, gegen die Absichten des Managements zu handeln“, stellt der Report fest.
Die Frage, wie die Wirtschaft aus eigener Kraft – oder auf äußeren Druck hin – sauberer werden kann, beschäftigt auch die USA und die EU. Eine ganze Reihe deutsche Unternehmen hat nach Korruptionsskandalen nun Telefon-Hotlines eingerichtet. Mitarbeiter können dort von schlechten Praktiken berichten, die ihnen aufgefallen sind. Bei Siemens heißt die Einrichtung beispielsweise „Compliance-Meldeweg ‚Tell Us‘“. Die Hotline ist rund um die Uhr besetzt und in 13 Sprachen verfügbar. Der Konzern verspricht, dass kein Hinweis dort Nachteile für den Arbeitnehmer mit sich bringt.
Das Toshiba-Management hatte verständlicherweise in den vergangenen Jahren nur wenig Interesse, solche Einrichtungen im eigenen Unternehmen zu verankern. Auch der Weg zu den Medien ist in Japan eher selten – es gilt immer noch die Vorstellung, dass die Mitarbeiter der Firma um jeden Preis treu sein müssen.
Nippons schlimmste Bilanzsmanipulationen
Olympus: Der Hersteller von Fotoapparaten hat Scheingeschäfte im Zusammenhang mit Firmenübernahmen genutzt, um Verluste in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zu vertuschen. Drei Manager haben Bewährungsstrafen erhalten, einer sitzt noch im Gefängnis.
Kanebo: Fast ein Jahrzehnt lang hatte der Kosmetikhersteller seine Gewinne geschönt – um insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat nur knapp überlebt, gilt aber heute als Musterbeispiel korrekter Unternehmensführung.
Yamaichi Securities: Das Wertpapierhaus ist an seinen Buchhaltungstricks gescheitert und musste 1997 Insolvenz anmelden. Wie andere Finanzfirmen vorher und nachher hatte Yamaichi Milliardenverluste in Tochterfirmen verschoben.
Long-Term Credit Bank of Japan: Dieses Bankhaus gehört zu den tpyischen Fällen der ursprünglich sehr intransparenten japanischen Unternehmenskultur. Zahlreiche Kreditnehmer des Gelhauses konnten nach dem Platzen einer Blase ihre Darlehen nicht bedienen, was das Management erst zugab, als es schon zu spät war.
IHI: Der Schwerindustrie-Konzern Ishikawajima-Harima (IHI) hat seine Zahlen für das Geschäftsjahr 2006/2007 aufgepeppt, um statt eines Verlusts einen satten Gewinn auszuweisen. Der Firmenchef trat zurück.
Weitere: Auch der Eisenbahnbetreiber Seibu, der Internetkonzern Livedoor oder das Wertpapierhaus Nikko Cordial standen im Mittepunkt von Bilanzskandalen.