27. Okt
US-Kriegsschiff vor Südchina: harmloser, als es aussieht
Signal aus Washington: Wir behaupten unsere Dominanz im Pazifik
Peking. Amerika demonstriert seinen Vormachtanspruch im südchinesischen Meer: Die US-Marine hat am Dienstag einen Zerstörer in ein Gebiet geschickt, das China exklusiv für sich beansprucht. Die heftige Reaktion aus Peking ließ nicht lange auf sich warten. „Wir warnen die USA davor, unkontrolliert zu handeln und Unruhe zu stiften“, sagte Außenminister Wang Yi in Peking. Washington solle „seine Fehler erkennen und von provokativen Handlungen Abstand nehmen“, ließ sein Ministerium
mitteilen.
China beansprucht südlich der eigenen Küsten ein erhebliches Seegebiet. Es reicht knappe tausend Kilometer weit bis an die Strände von Malaysia, Vietnam und den Philippinen. Um seine Ansprüche zu untermauern, hat die Volksbefreiungsarmee dort Tausende von Tonnen Zement aufgewendet, um kleine Riffe zu künstlichen Inseln auszubauen. Wo vorher nur Wasser zu sehen war, erheben sich jetzt Leuchttürme und sogar Flugplätze. China betont zwar laufend, dass die Militärpräsenz nur der Verteidigung des eigenen Staatsgebiets dient. Doch es definiert zugleich das eigene Staatsgebiet sehr großzügig auf Kosten des Nachbarn.
Für die USA ist diese Situation inakzeptabel. Sie sehen sich als Schutzmacht im Pazifik. Jedes Stück Einfluss, das China hier gewinnt, geht auf Kosten der etablierten Supermacht. Washington schickt daher regelmäßig Flugzeuge durch die umstrittenen Gebiete. Aus US-Sicht begründet eine aufgeschüttete Mini-Insel keinen Anspruch auf die Bildung einer exklusiven Nutzungszone. Auch der Zerstörer „USS Lassen“ hat sich nach einer weithin akzeptierten Definition ausschließlich in internationalen Gewässern aufgehalten.
Aus chinesischer Sicht handelt es sich dagegen um eine Provokation. „Die Amerikaner wollen zeigen, dass sie eine starke Militärpräsenz in einer Region unterhalten, die zum chinesischen Einflussgebiet gehört“, sagt Li Jie vom Forschungsinstitut der chinesischen Marine. Die USA spielen mit dem Feuer – denn eine Eskalation sei durchaus möglich. Für China bestehe die nächste Stufe der Abwehr darin, das eindringende amerikanisches Schiff zu rammen und abzudrängen.
Die Gefahr, dass chinesische und amerikanische Schiffe tatsächlich aufeinander schießen, ist gleichwohl derzeit noch gering. Beide Seiten kennen die Regeln: Sie müssen ihre Ansprüche durch Taten untermauern, ohne dabei aggressiv zu werden. Die Durchfahrt des US-Kriegsschiffs bewegt sich im Rahmen dieses Musters. „Es handelt sich um einen harmlosen Akt“, sagt Außenpolitik-Expertin Gao Cheng von der Chinese Academy of Social Sciences. „Die USA haben weitere dieser Patrouillenfahrten angekündigt – das könnte sogar Routine werden.“
China könne letztlich nicht viel dagegen machen, sagt Gao. „Peking verfügt über kein klares Konzept für das Südchinesische Meer.“ Die USA haben die aktive Rolle – zumal die Anrainerstaaten wie Vietnam und Malaysia es begrüßen, dass die Regionalmacht China hier von einem Konkurrenten in Schach gehalten wird. Anders als erhofft, könnten Amerika sogar Einfluss gewinnen – als „großer Bruder“, der den kleineren Staaten zur Hilfe eilt.