14. Jun
Xi Jinping konsolidiert seine Macht
Nach der Verurteilung von Sicherheitschef Zhou baut Chinas starker Mann seine Stellung aus
Peking. Chinas Präsident Xi Jinping räumt derzeit seine letzten innerparteilichen Gegner aus dem Weg. Mit der Verurteilung des ehemaligen Geheimdienstchefs Zhou Yongkang in der vergangenen Woche hat Xi den Rücken frei für die nächste Stufe der Sicherung seiner Stellung. Die Sicherheitsorgane müssten „einen festen Glauben und absolute Loyalität“ gegenüber der Partei zeigen, verlangte Xi. Nur zwei Tage später hat das Gericht in Tianjin das Urteil über Zhou gefällt.
Zhou Yongkang war einst einer der mächtigsten Männer Chinas. Als Mitglied des ständigen Ausschusses des Politbüros gehörte er zu den neun Männern, die das Land lenken. Zuvor hat er Chinas Sicherheitsapparat aus mehreren Geheimdiensten und Polizeitruppen geleitet. Gute Kontakte zur Ölindustrie haben ihm und seiner Familie zudem äußerst lukrative Pfründen eröffnet. Wie fast alle mächtigen Top-Kader hat er bei dieser Fülle von Macht und Einkommensquellen die geltenden Gesetze gebrochen. Es war also nicht schwer, ihn des Amtsmissbrauchs und der Korruption zu überführen.
Der heute 72-Jährige war jedoch vor allem ein entschiedener Gegner des heutigen Staats- und Parteichefs Xi. Der wiederum toleriert keinen Widerstand gegen die eigene Person. Zhou soll Gerüchten zufolge vor drei Jahren versucht haben, die Ernennung Xis durch einen Aufstand zu verhindern. Seitdem hat Xi eine lange Reihe von anderen Gegnern beseitigt. Mit Zhou ist nun auch den ehemals stärksten Störer los.
Xi musste dazu ein Tabu brechen. Ehemalige Mitglieder des Politbüros durften sich bisher lebenslang vor Verfolgung sicher fühlen – nach dem Motto: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Nun muss Zhou stattdessen lebenslang in den Knast.
Nachdem Xi dieses Tabu nun gebrochen hat, steht einer weiteren Absicherung seines Einflusses nichts entgegen. Er glaubt, die Uneingeschränkte Machtfülle gerade jetzt zu brauchen: Chinas Wirtschaft befindet sich in einer schwierigen Übergangsphase. Einerseits sind daher weitreichende Reformen nötig. Andererseits droht Unzufriedenheit des Volkes – da ist ein starker Mann an der Spitze gefragt, um das Land zusammenzuhalten, so die Logik der KP.
Ein letzter Kritiker Xis ist nun der ehemalige Präsident Jiang Zemin, der schon mehrfach dazu aufgerufen hat, die innerparteiliche Kampagne gegen Korruption und die Feinde Xi Jinpings auszusetzen, um wieder mehr Einheit zu schaffen. Zwar ist es keine Option für Xi, zurückzurudern, wie Jiang es fodert. Zugleich kann er den greisen Altpolitiker kaum angreifen, ohne Verwerfungen innerhalb des Systems auszulösen.
Dennoch gilt Xi als der stärkste chinesische Führer seit Jahrzehnten. Auch US-Präsident Barack Obama erkennt das an: „Jeder ist beeindruckt, wie stark sein Einfluss nach nur zwei Jahren im Amt ist“, sagte Obama nach einem Treffen mit dem chinesischen Präsidenten fast etwas neidisch. Xi habe seine Macht enorm schnell konsolidiert.
Das wichtigste Mittel dazu war die Anti-Korruptionskampagne, die Angst und Schrecken in der Partei verbreitet – schließlich hat kaum ein höheres Mitglied eine komplett weiße Weste. Die internen Aufseher haben im vergangenen Jahr 232.000 Kader betraft. Eine noch viel höhere Zahl musste sich Verhören und Untersuchungen stellen, ist aber bisher davongekommen.
Die politische Gemeinschaft in Peking fragt sich nun, welchen anderen Spitzenpolitiker Xi als nächstes endgültig aus dem Weg räumen lässt. Huang Jing, ein Politologe an der National University of Singapore, ist sich sicher, dass weitere Anklagen auf höchster Ebene folgen werden. Einige seiner Gegner sind noch frei, wenn sie auch längst ihrer Posten enthoben sind. Gut schlafen können sie nicht.