9. Jul

Blase? Na und?

Börse Shanghai

Der Absturz an Chinas Börsen wirkt bedrohlich – bleibt aber örtlich begrenzt

Der Schreck sitzt der Finanzwelt noch in den Knochen. Ein perfekter Sturm hat ab 2008 nicht nur die Märkte, sondern auch fast die Realwirtschaft zum Kentern gebracht. Jetzt sieht die Lage ähnlich gefährlich aus: Während die Eurozone ins Chaos taumelt, rauschen in der zweitgrößten Volkswirtschaft China die Börsenkurse in den Keller. Das wirkt umso beunruhigender, als deutsche Firmen von  Dax-Konzern bis zu Mittelständlern heftig in Fernost engagiert sind.

 

Die offensichtlich geplatzte Blase am chinesischen Aktienmarkt bedeutet jedoch keine unmittelbare Gefahr für Europa. Anders als der Sturm Ende des vergangenen Jahrzehnts ist sie örtlich begrenzt. Da der chinesische Kapitalmarkt weitgehend von der Außenwelt abgeschirmt ist, sind dort nur wenige internationale Investoren unterwegs. Auch die Realwirtschaft ist bisher nur wenig betroffen. Es waren überhaupt nur wenig systemrelevante Investoren an dem Geschehen beteiligt. Und die Blase hat sich viel zu schnell aufgebaut, als das die Unternehmen ihre hohen Bewertungen etwa für gesteigerte Kreditaufnahme hätten nutzen können.

 

Die Hauptleidtragenden der fallenden Kurse sind Privatleute. Viele von ihnen sind unerfahrene Erstanleger. Zum Teil waren sie so dumm, mit geliehenem Geld zu spekulieren. Schließlich sah es so aus, als ob die Kurse immer nur steigen würden. Und hatte die Regierung mit Zinssenkungen und Deregulieren nicht selbst den Startschuss für die Rally gegeben?

 

Doch selbst die chinesischen Kommunisten können den Aktienmarkt ihres Landes nicht wirklich steuern. Ihre Versuche in den vergangenen drei Wochen, sich gegen die Korrektur am Markt zu stemmen, haben alle nichts gefruchtet. Die Kurse sind um ein Drittel heruntergegangen. Experten zufolge könnten sie noch weiter sinken, da die Firmengewinne und der Zustand der Gesamtwirtschaft die Zuwächse bei weitem nicht rechtfertigen.

 

Der Rückgang ist daher an sich völlig normal, was auch die Anleger mehrheitlich auch wissen – schließlich haben sie selbst das schnelle, mühelose Geld gesucht, statt ein langfristiges, solides Investments in ein Unternehmen ihres Vertrauens zu tätigen. Der gescheiterte Versucht, die Märkte durch billiges Geld zu stützen, lässt die Regierung daher nicht das Gesicht verlieren. Es handelt sich schlicht um einen Vorgang in der Wirtschaftspolitik, wie er auch in China immer wieder vorgekommen ist.

 

In seiner stürmischen Entwicklung hat China schon viele Blasen erlebt. Heute erinnert sich kaum noch jemand an die GITIC-Krise von 1998 oder die Immobilienblase in Shanghai 2006. Noch heute liegen uneinbringliche Kredite im Wert von hunderten von Milliarden Euro in Auffangbanken, die von den Aufräumarbeiten von damals übriggeblieben sind, nach denen aber keiner mehr fragt. Im Jahr 2008 war der Berg auf der Aktien-Chart sogar noch ein Drittel höher als heute, bevor alles wieder in den Keller ging.

 

Das Geheimnis der Chinesen ist ihr hohes Maß an Handlungsfähigkeit und bemerkenswerte Unabhängigkeit vom Ausland. Es gibt praktisch kein Problem der Finanzwirtschaft, das sich nicht durch ausreichende Zufuhr von Zentralbankgeld lösen lässt. Peking hat völlige Kontrolle über diese Stellschrauben. Das Land schuldet niemandem etwas. Im Gegenteil. Keine Volkswirtschaft hat jemals so viel Geld verliehen wie China in den vergangenen zehn Jahren. Die Amerikaner stehen bei der chinesischen Zentralbank tief in der Kreide.

 

Es stimmt, dass der Schuldenstand in China hoch ist, vor allem auf Seite der Unternehmen. Die Unterschiede zwischen den Schulden beispielsweise Griechenlands und Chinas könnte aber nicht größer sein. Griechenland ist im Ausland verschuldet. Chinas Firmen haben das Geld bei einheimischen Banken geliehen, die unter Kontrolle des Finanzministeriums stehen und notfalls nachsichtig sind. Das mag streng marktwirtschaftlich nicht in Ordnung sein, doch es stabilisiert die Lage.

 

Chinas Haushalte gehören zu den eifrigsten Sparern der Welt – unterm Strich stecken sie auch ein paar Aktienkredite weg. China ist im Gesamten gesehen enorm fleißig und stellt all die Produkte her, die auf dem gesamten Planeten so gefragt sind – von Zahnstochern über Mikrowellen und iPhones bis zu Zügen, Kraftwerken und Satellitenstarts. Das Wachstum liegt weiter bei sieben Prozent, und selbst die Aktienkurse stehen noch 70 Prozent über dem Vorjahreswert.

 

China hat riesige Probleme mit Fragen wie der Effizienz des Kapitaleinsatzes oder der Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten steigender Löhne. Doch eine Katastrophe droht von dort her keinesfalls. Peking würde eher den Weg Japans gehen: Verschleppung der Probleme über einen langen Zeitraum, um eine Implosion zu vermeiden. Das ist politisch Notwendig für den Machterhalt der Kommunisten. Wirtschaftspolitisch ist das machbar, weil die Partei weiterhin alle wichtigen Hebel überwacht. Das spricht nicht unbedingt für den Fortschritt von Marktreformen, in schwierigen Zeiten ist Kontrolle über die Wirtschaft aber enorm nützlich.

Ein Kommentar zu “Blase? Na und?”

  1. Jürgen Kremb sagt:

    Sehr erhellend Finn. Danke dir. Ich kann die Panikmache auch nicht mehr ertragen. Es ist mittlerweile das einzige Werkzeug aus der Klamottenkiste des Journalismus wie wir ihn kennen – und bisweilen auch zu verantworten hatten.

    guten Start und beste Grüße

    Jürgen

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