18. Feb

China verlegt Raketen auf umstrittene Insel

Vietnams Marine übt für den Fall chinesischer Übergriffe. Foto: Shutterstock

Vietnams Marine übt für den Fall chinesischer Übergriffe.

Stellvertreter-Konflikt mit den USA im Südchinesischen Meer

 

Peking. Das chinesische Militär stationiert Boden-Luft-Raketen in einem umstrittenen Seegebiet. „Auf der Insel Yongxing wurden Raketenbatterien installiert“, teilte das taiwanische Verteidigungsministerium am Mittwoch mit. Taiwan gehört zusammen mit Vietnam zu den Ländern, die die betreffende Inselgruppe für sich beanspruchen. „Angesicht der Ausdehnung chinesischer Militärpräsenz in der Region fordern wir alle Seiten auf, Frieden und Stabilität zu wahren“, so die Regierung in Taipei.

 

Mit der Verlegung der Raketeneinheit erhöht sich die Temperatur in einem schwelenden Konflikt: Die aufstrebende Großmacht China beansprucht das ganze Südchinesische Meer bis an den Strand der anderen Anrainer für sich. Peking verleiht nun seinen Forderungen mit der Verlegung von mehr und mehr Kriegsgerät Nachdruck – was bei den Nachbarn entsprechende Nervosität auslöst. China beansprucht schon seit 1947 ein Gebiet, das weit über die international akzeptierte „ausschließliche Wirtschaftszone“ von 200 Meilen hinausgeht.

 

Die Yongxing-Insel liegt zwar in dieser Zone und befindet sich zwar bereits seit Jahrzehnten unter chinesische Kontrolle. Die Installation der Raketen irritiert die Nachbarländer jedoch im Zusammenhang mit anderen Aktivitäten der chinesischen Marine. Sie hat eine Reihe von Riffen mit Tausenden von Kubikmetern Steinen, Sand und Beton zu Stützpunkten ausgebaut und an solchen Orten unter anderem einen Hafen und eine Landebahn für die Luftwaffe gebaut.

 

Die Raketen vom Typ HQ-9, die die amerikanische und taiwanische Satellitenaufklärung auf Yongxing erspäht haben wollen, können rund 200 Kilometer weit fliegen. Sie richten sich vor allem gegen Flugzeuge und könnten den Versuch eines Luftangriffs vereiteln. US-Quellen weisen jedoch in etwas ominöser Weise darauf hin, dass auch ein Angriff auf Zivilflugzeuge möglich sei.

 

Nach chinesischer Interpretation handelt es sich bei der Stationierung des Gefechtsstands um eine völlig legale Nutzung von Seeraum, der zu China gehört. „Gewisse westliche Medien wollen da wieder etwas zu Nachrichten aufblasen“, sagte Außenminister Wang Yi, als Journalisten ihn auf einer Pressekonferenz zu dem Thema fragten. „Die Xisha-Inseln sind urchinesisches Gebiet. Die Entsendung von Verteidigungseinrichtungen hat mit einer sogenannten Militarisierung nicht zu tun“, teilte sein Ministerium später mit.

 

Auffällig ist jedoch, dass die Nachricht gerade dann durchgesickert ist, als US-Präsident Barack Obama in Kalifornien ein Gipfeltreffen mit Führern südostasiatischer Staaten beendet hat, bei dem es unter anderem um den Vormarsch Chinas ging. Nach Interpretation von Experten haben die USA die chinesischen Aktionen zum Teil dadurch herausgefordert, dass diese zuletzt wieder stärker ihre eigene Vormachtstellung in Südasien herausgestellt haben. Für Peking ist das inakzeptabel und kann nicht unbeantwortet bleiben. Das Südchinesische Meer wird damit mehr und mehr zum einem Nebenschauplatz der Rivalität zwischen der alten Supermacht USA und dem Neuankömmling China.

 

Trotz der langjährigen Präsenz der Chinesen auf den betreffenden Inseln gilt die Stationierung von schwerem Gerät als deutliche Provokation. Die Anwesenheit einer kleinen Basis war stillschweigend akzeptiert – doch hochmoderne Artillerie hebt die Möglichkeiten der Volksbefreiungsarmee an dem strategisch wichtigen Punkt auf eine neue Stufe.

Die südostasiatischen Länder wie Vietnam sind jedoch nur scheinbar die Kontrahenten Chinas im aktuellen Konflikt um weite Seegebiete vor ihren Küsten. Der wahre Gegenspieler ist Amerika, das seine Interessen in dieser Region in der Vergangenheit bereits mit erheblichem Einsatz verteidigt hat. In Vietnam haben die USA deswegen einen Krieg geführt. Die Philippinen waren jahrzehntelang eine Art Vasallenstaat.

Erst in den vergangenen Jahren hat China als Seemacht zu erheblicher Stärke zurückgefunden. Peking hat die unwirtlichen Inselgruppen im Süden zugleich als hervorragendes Spielfeld entdeckt, um sich mit dem großen Rivalen zu messen. Washington hat prompt reagiert: Präsident Obama verstrickt sich durch seine „Neuausrichtung auf Asien“ mehr und mehr in der örtlichen Politik. Er wirbt dabei sogar um Vietnam als Verbündeten – das dadurch erneut zum Stellvertreter in einem Konflikt der Großmächte wird.

Bisher respektieren beide Seiten die Spielregeln. Sie sticheln eifrig, aber sie vermeiden echte Aggressionen. Die USA schicken Schiffe und Flugzeuge haarscharf an chinesischen Einrichtungen vorbei – lassen sie aber immer rechtzeitig abdrehen. Peking lässt Raketen stationieren – aber auf einer Insel, die vergleichsweise unangefochten zu China gehört. Doch je mehr sich die beiden Mächte künftig auf der Weltbühne in die Quere kommen, desto wahrscheinlicher wird es, dass auch Schüsse fallen.


Hintergrund: Zoff um Zwerginseln

Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer sind nicht neu – doch die Auseinandersetzungen nehmen an Heftigkeit zu. Konkret geht es um drei Inselgruppen:

Paracel-Inseln: Hier liegt die Yongxing-Insel, die aus Englisch Woody Island heißt. Die Inselgruppe befindet sich vergleichsweise nah an China, das sie Xisha-Inseln nennt.

Spratly-Inseln: Über 100 Eilande, die dicht an Malaysia und den Philippen liegen. Auch Vietnam und Taiwan mischen mit. Es gehört für jeden dieser Spieler hier zum geopolitischen Sport dazu, Militärbasen auf mehreren der Inselchen zu unterhalten. China nennt sie die Nansha-Inseln – und hat einen kleinen Felsen zu einem Flugplatz ausgebaut.

Scarborough-Riff: Von dieser Kette von Atollen ragen nur die höchsten Spitzen wenige Meter über die Wasseroberfläche. China beansprucht sie dennoch als Inseln für sich und leitet daraus eine Ausdehnung der eigenen Hoheitsgewässer ab. Sie liegen sie am nächsten an den Philippinen. Unter Seefahrern gefürchtet.

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