11. Jul

Chinas Automarkt wird zum Opfer des Aktien-Crashs

Luxusschlitten in Peking: Autogeld an der Börse verzockt.

Luxusschlitten in Peking: Autogeld an der Börse verzockt.

Die Verbraucher werden erstmals knauseriger – und wenden sich verstärkt preiswerten chinesischen Marken zu

Die Kursverluste am chinesischen Aktienmarkt dämpfen bereits den Verkauf von Autos im wichtigsten Wachstumsmarkt der deutschen Industrie. Der Herstellerverband hat am Freitag seine Vorhersage für das Absatzwachstum in diesem Jahr von sieben auf drei Prozent gesenkt – eine dramatische Abwärtskorrektur. Den Zahlen der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) zufolge hat China im ersten Halbjahr bereits den schwächsten Automarkt seit sechs Jahren gesehen. Im Juni sind die Verkäufe sogar um gut zwei Prozent zurückgegangen.

 

Branchenbeobachter sehen einen Zusammenhang zwischen der Konjunkturlage, der Börse und dem Autoabsatz. „Der Zusammenbruch des Börsenwertes belastet das Ausgabeverhalten unserer Kunden“, sagte Cui Dongshu, Generalsekretär des Pkw-Verbands China’s Passenger Car Association (CPCA). Seit einem Hoch im Juni waren die Kurse an der Börse Shanghai um ein Drittel eingebrochen. Viele Anleger hatten mit geliehenen Geld spekuliert und stehen nach der heftigen Korrektur mit hohen Schulden da. In so einer Lage kauft sich keiner ein neues Auto.

 

Doch zugleich wirkt die Erklärung mit dem Börsen-Absturz kurz gegriffen. Die Stimmung in den Autohäusern war in diesem Jahr insgesamt schlecht. „Das schwache Wirtschaftswachstum insgesamt wirkt sich auf den Konsum aus“, so die Nomura-Experten. Schon vor der Trendwende am Aktienmarkt Mitte Juni sind die Leute den Verkaufsräumen ferngeblieben. Während die Kurse nach oben gingen, ist das Wachstum des Automarkts um fünf Prozentpunkte auf zwei Prozent gesunken. Das verheißt jedoch vor allem umso schwerere Zeiten für die Zeit nach dem Crash.

 

Schon im vergangenen Jahr waren Anzeichen eines Rückgangs zu spüren. Nur die Hälfte der Autohäuser des Landes haben 2014 Gewinn gemacht, wie aus einer Umfrage der Beratungsfirma J.D. Power hervorgeht. Ein Händler in Peking bestätigt den Trend. Seiner Beobachtung nach hat auch eine streng durchgesetzte Bescheidenheitskampagne der Regierung zu der Zurückhaltung beigetragen. Selbst wer genug Geld hat, mag nicht mehr mit einem neuen Oberklassewagen angeben, sondern fährt das alte Modell lieber etwas länger.

 

Der Trend spielt zunächst den chinesischen Anbietern in die Hände, die in den vergangenen Monaten eine Generation von soliden, aber preiswerten Stadtgeländewagen (SUVs) auf den Markt gebracht haben. In der unsicheren Situation greifen viele Käufer nun zu der günstigeren einheimischen Alternative. Der CPCA zufolge hat das zu einer Steigerung des Marktanteils chinesischer Marken geführt. Im Juni haben sie 2,6 hinzugewonnen. Der Absatz chinesischer SUVs hat sich im ersten Halbjahr mehr als verdoppelt.

 

Währenddessen zeigt auch erstmals seit Jahren das Premiumsegment leichte Schwäche, in dem deutsche Anbieter wie Daimler oder Audi besonders stark sind. Mitte April hat BMW bekannt gegeben, seine Absatzziele für das zweite Quartal zu senken. Anbieter wie Nissan, Honda oder Hyundai senken bereits ihre Produktion. Der Ausstoß in den VW-Fabriken sank im Mai um 25 Prozent.

 

Die Anbieter versuchen in China auch erstmals, der Konkurrenz mit erheblichen Rabatten die Kunden abspenstig zu machen. Auch Volkswagen muss im Massenmarkt bei den Preisen nachgeben, um die Autos vom Hof zu bekommen. Den Passat gibt es seit Juni um 20.000 Yuan (fast 3000 Euro) günstiger.

 

Von einem „Preiskrieg“ spricht bereits Dong Yang, der Generalsekretär des Herstellerverbandes CAAM. Dong sieht hier jedoch auch eine Chance für die ausländischen Anbieter, wieder aufzuholen. Sie sind weiterhin deutlich attraktiver – und können sich dank hoher Margen die Preiskonkurrenz besser leisten. „Die chinesischen Marken sind noch nicht wettbewerbsfähig genug“, sagt Dong.

 

Im Ausblick rechnen die Marktbeobachter für die zweite Jahreshälfte ebenfalls mit mauen Geschäften. Eine Erholung sei nicht vor September zu erwarten, sagte CPCA-Generalsekretär Cui. Stützprogramme der Regierung wie eine Abwrackprämie oder Subventionen seien höchst unwahrscheinlich – schließlich befindet sich die Wirtschaft nicht in einer Krise, nur in einem zyklischen Abschwung nach einem Boom.

 

Dementsprechend optimistisch ist die Branche auch für die langfristige Entwicklung. Der Höhepunkt des chinesischen Automarktes sei noch lange nicht erreicht, sagt Dong. Bisher liegt der Bestand bei nur 150 Millionen Autos. Erst oberhalb von 400 Millionen Autos könne ansatzweise von einer Sättigung gesprochen werden.

 

In der aktuellen Geschäftsklimaumfrage der Außenhandelskammer vor Ort zeigt sich daher gerade die Autobranche noch zuversichtlich, weiter vom Aufstieg des chinesischen Konsumenten zu profitieren. Drei Viertel der befragten Unternehmen erwarteten Wachstum oder zumindest gleichbleibende Absätze, nur ein Viertel kann sich einen echten Rückgang vorstellen. Bei einem Wachstum von drei Prozent werden in diesem Jahr in China immer noch stattliche 24 Millionen Autos einen Käufer finden.

 

Doch die plötzliche Abkühlung zeigt zugleich, dass der chinesische Automarkt sich nicht so unaufhaltsam entwickelt, wie sich das mancher Automanager gewünscht hat. Stattdessen steht ihnen wahrscheinlich eine sprunghafte Entwicklung bevor, in der der konstante Boom von 2009 bis 2013 als Ausnahme erscheinen wird.

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