16. Jan

Chinas Technik-Firmen kommen

Xiaomi, Huawei und Lenovo erobern den Weltmarkt

Xiaomi Lei Jun
PEKING. Die Tester lassen faustgroße Stahlkugeln auf das Handy fallen. Sie schlagen es mit Bratpfannen. Eine Maschine lässt es von Relais gesteuert aus 1,50 Meter Höhe auf eine Steinplatte fallen – standardisiert und kontrolliert. Die Botschaft ist klar: Das Mi Note ist nicht nur schön anzusehen, und es hat nicht nur einen tollen Bildschirm und einen flinken Prozessor, es ist auch von spitzenmäßiger Qualität.

Der Chef des Pekinger Smartphone-Herstellers Xiaomi hat diese Videos bei der Produktvorstellung am Donnerstag mit einem klaren Ziel gezeigt. Er will nicht mehr als Billigheimer gelte. Lei nannte mehrfach klar, wo er hin will –  er vergleicht das großformatige Telefon mit dem iPhone 6, und seine Firma mit Apple.

Was vor wenigen Monaten noch absurd gewesen wäre, klingt plötzlich sinnvoll. Denn Xiaomi überholt in diesem Jahr möglicherweise Apple als zweitgrößten Smartphone-Hersteller der Welt – schließlich ist er bereits binnen Jahresfrist von Platz sieben auf Platz drei gesprungen.

Die Grundlage für einen weiteren Aufstieg ist mit den neuen Produkten bereits gelegt. Denn der Neuling hat sich an diesem 15. Januar 2015 erstmals als kreativer Premium-Anbieter präsentiert statt als Nachahmer mit Kampfpreisen. Ein Tag, den Manager etablierter Mobilfunkfirmen sich möglicherweise künftig merken werden.

Denn Xiaomi ist jetzt schon der am schnellsten wachsende Handy-Anbieter und das am wertvollste Startup der Welt. Lei selbst ist mit dem Unternehmen innerhalb von drei Jahren zum Milliardär geworden. Die Zahlen rauben einem den Atem: Im vergangenen Jahr hat sich der Umsatz verdoppelt und der Absatz auf 60 Millionen Smartphones verdreifacht.

Trotz Leis Verehrung für das erklärte Vorbild Apple: Der Erfolg von Xiaomi setzt den Weltmarktführer Samsung am meisten unter Druck. Denn auf den Telefonen von Samsung läuft ebenfalls mehrheitlich das freie Betriebssystem Android, und es fehlt den Koreanern das letzte Stückchen Star-Kult und Oberklasse-Nimbus, das Apple so geschickt kultivieren konnte. „Das Jahr 2015 wird für Samsung eine historische Niederlage bringen“, prognostiziert der chinesische IT-Analyst Liu Huafang, Gründer des Internetmarketing-Projekts Watermelon School.

Für Liu hat der Durchbruch vor allem in den Köpfen der Chinesen stattgefunden: „Die chinesischen Kunden haben erstmals angefangen, an chinesische Marken zu glauben.“ Bisher habe alles Ausländische irgendwie überlegen gewirkt. Inzwischen ist vor allem die Zielgruppe der unter 40-Jährigen geradezu stolz auf ihr chinesischen Gerät. „Xiaomi ist ein Wunder“, sagt Liu. Es sei der Firma aus dem Stand gelungen, eine ganze Wertschöpfungskette im Markt zu verankern.

Kein Wunder also, dass die Marktbewertung von Xiaomi bereits 45 Milliarden Euro erreicht. Zumindest leiten Finanzexperten diese Zahl aus dem Preis von Anteilsverkäufen ab. Doch auch wenn er ungenau ist, hat dieser Wert eine krasse Aussage: Er liegt zwischen den Börsenkapitalisierungen von Henkel und BMW, zwei Unternehmen, die seit einem Jahrhundert an Produktexpertise, Markenpflege und Management-Kultur arbeiten.

Xiaomi dagegen hat sein erstes Produkt vor knapp drei Jahren auf den Markt gebracht. Ein Kind, das damals auf die Welt gekommen ist, könnte gerade einem vernünftig laufen und sprechen. Xiaomi macht zehn Milliarden Euro Umsatz.

Dieser Erfolg wirft ein Schlaglicht auf eine Reihe der großen Stärken Chinas. Da ist zunächst einmal der große Markt von einem Fünftel der Weltbevölkerung, aber auch die hochgezüchtete Produktionsbasis für Elektronik aller Art. Da ist Sinn für Verkaufe und fürs Geschäftemachen. Die überwiegend jungen Kunden wiederum gieren geradezu nach neuer Techniken – je mehr neue Funktionen, desto besser. Deshalb bringt Xiaomi jetzt auch Hausgeräte auf den Markt. „In zehn Jahren sind alle Geräte smart“, sagt Lei. „Sie werden miteinander reden.“

Xiaomi ist nur ein Beispiel von vielen, die in der Technik-Branche derzeit von sich reden machen. Weltgrößter PC-Hersteller? Lenovo. Demnächst vermutlich größter Netzwerkausrüster? Huawei. Der neue Online-Shopping-Gigant? Alibaba. Dahinter, in der zweiten Reihe, finden sich noch viele Namen von kreativen Firmen, die weniger bekannt, aber jetzt schon enorm wichtig sind. Die App-Firma Tencent beispielsweise ist auf soziale Netze in spezialisiert, das Portal Baiu.com auf Internetsuche.

Von diesen Unternehmen wird noch viel zu hören sein. Wenn nicht Xiaomi, dann wird Konkurrent Huawei den Smartphone-Herstellern der ersten Stunde noch riesige Probleme bereiten. Das Modell Honor 6 von Huawei habe eine ähnliche gute Linse in der Kamera wie das iPhone 6.

Lenovo hat unterdessen durch die Übernahme des Anbieters Motorola dessen topfitte amerikanische Ingenieure und Designer in die Hände bekommen. Für 2015 plant auch Lenovo-Motorola neue Produkte, die im Oberklasse-Segment angreifen. „Das Potenzial ist riesig. Apple ist nicht mehr allein“, so Technik-Analyst Liu.

Die IT-Branche, und hier insbesondere die Handy-Hardware, hat sich als besonders offen für Neueinsteiger erwiesen. Die Krone des Smartphone-Königs ist in der kurzen Zeit der Existenz dieser Produktgruppe bereits von Amerika nach Korea gegangen – und jetzt angelt China nach der Martkführerschaft.

In anderen Branchen haben es Neuankömmlinge offensichtlich deutlich schwerer: Bei Luxusgütern wie Handtaschen, Uhren und Cognacs, bei präzisen Ingenieurleistungen wie Autos, oder bei reinen Marketing-Leistungen wie Sportschuhen liegen weiter die alten Industrieländer mit ihren eingeführten Marken vorne. Doch in der IT zahlen sich Schnelligkeit und Flexibilität aus. Xiaomi hat sich hier als geradezu furchterregend stark erwiesen.

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