10. Jun

Das Friedenssymbol und der Betonkommunist

Xi Jinping empfängt Aung San Suu Kyi – eine Kollision von Gegensätzen

Peking. So eine wie Aung San Suu Kyi hätte Xi Jinping im eigenen Land vermutlich ins Gefängnis gesteckt und lange, lange Zeit nicht wieder herausgelassen. Schließlich sitzt auch der Schriftsteller Liu Xiaobo in China ohne Hoffnung auf Freilassung im Knast. Liu trägt wie Suu Kyi den Friedensnobelpreis. Wie sie hat er sich für Demokratie und eine offene Gesellschaft eingesetzt.

 

Aber Suu Kyi ist keine Chinesin, sondern Oppositionsführerin im benachbarten Myanmar. Dort hat sie Aussichten, die Präsidentenwahl im Herbst zu gewinnen. Deshalb empfängt Xi sie in diesen Tagen in Peking als Ehrengast. Ein Sprecher des Außenministeriums bestätigte am Mittwoch, dass die anreisende Delegation aus Myanmar die Staats- und Parteiführung treffen werde.

 

Die chinesische Führung handelt gegenüber der burmesischen Politikerin vor allem pragmatisch. Peking sieht Myanmar als Teil der eigenen Einflusssphäre und will verhindern, dass das südostasiatische Land sich womöglich zum Westen hinwendet. Da stört es kaum noch, dass Suu Kyi als Freiheitskämpferin in ihrer Heimat derzeit auf einen Regimewechsel hinarbeitet.

 

Trotz der gemeinsamen Interessen: Xi und Suu Kyi könnten kaum unterschiedlichere Wert haben. Der chinesische Staatschef hat sein Land in den vergangenen zwei Jahren strikt auf Kurs der Partei gebracht. Kritiker lässt er gnadenlos verhaften. Anders als seine Vorgänger sieht er die Entwicklung der Zivilgesellschaft nicht nur als überflüssig, sondern als gefährlich an.

 

Sein Apparat sperrt sogar Frauenrechtlerinnen ein, wenn diese zu viel Ärger machen – obwohl die Kommunistische Partei selbst ausdrücklich für Gleichstellung eintritt. Presse und Internet sind stark zensiert. Witze über Xi sind gefährlich geworden. Auf Forderungen nach mehr Demokratie in Hongkong reagiert Peking mit Zynismus.

 

Suu Kyi ist dagegen schon seit den 80er-Jahren die demokratische Hoffnung Myanmars. Die Wahlen im Jahr 1990 hatte ihre Partei haushoch gewonnen. Das Militär hat sie daraufhin jedoch für zwei Jahrzehnte immer wieder unter Hausarrest gestellt und politisch isoliert. Peking hat das Militärregime seinerzeit vor allem wirtschaftlich unterstützt.

 

Doch das wirkt nun wie eine ferne Vergangenheit. Suu Kyi ist seit fünf Jahren frei und bereitet sich darauf vor, ihre politische Karriere fortsetzen, wo sie sie aufgeben musste. Sie weiß als Polit-Profi, dass sie mit China zusammenarbeiten muss. Der riesige Nachbar im Norden ist größter Investor in ihrem Land. Xi wiederum hat nur noch wenig Sympathie für das Militärregime übrig. Es hat kommunistische Rebellen auf chinesischem Boden bombardiert, wo diese Zuflucht gesucht haben. Der Vorstoß der burmesischen Armee auf das eigene Gebiet  hat China verärgert.

 

Die Einladung an Suu Kyi ist also auch ein politisches Signal an die Machthaber in Naypyidaw. „Es handelt sich um Chinas Methode, Unzufriedenheit mit der Regierung von Myanmar zu zeigen“, sagt Yan Xuetong, Leiter des Fachbereichs für Internationale Beziehungen an der Tsinghua-Universität. „Für Peking ist es zudem völlig gleichgültig, wer die Wahlen gewinnt.“ Es sei unwahrscheinlich, dass die Militärregierung weiterhin Forderungen aus Peking ignoriere.

 

Aus vielen pragmatischen Gründen kommt es also zu dem denkwürdigen Treffen des Demokratie-Symbols mit dem chinesischen Autokraten. Die Begegnung nützt beiden Seiten ebenso wie der Stabilität in der Region. Für Suu Kyi ist sie die Voraussetzung für politischen Erfolg in schwierigen Feldern wie Wirtschaft und Außenbeziehungen. Schließlich muss sie sich vermutlich schon bald in der Praxis bewähren, nachdem sie lange nur von der Seitenlinie zusehen konnte.

Hinterlasse eine Antwort